Die Debatte um den Einsatz von Muttersprachlern als Fremdsprachenlehrer gibt es nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Doch weiß immer noch niemand so richtig, ob jetzt eher ein Muttersprachler oder ein Nicht-Muttersprachler besser für den Fremdsprachenunterricht geeignet ist. Die klare Antwort darauf, ist das Dilemma des Fremdsprachenunterrichts – es gibt sie nicht. Dieser Artikel soll zum einen zeigen, dass Muttersprachler nicht per se die besseren Fremdsprachenlehrer sind und dass auch Nicht-Muttersprachler nur unter gewissen Vorraussetzungen wirklich zum Lehren von Fremdsprachen geeignet sind.
Muttersprachler sind unbestritten und zweifelsohne die kompetentesten Sprecher einer “Fremd”sprache, da diese für einen Muttersprachler nicht Fremd ist. Auch kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es bei trainierten (und trainiert ist das Stichwort) Muttersprachlern beim Lerner eher zum Gefühl des authentic learning input kommt. Wobei sich der authentische Input hier rein auf die (Aus)Sprache bezieht. Wie authentisch und lebensweltbezogen der Unterricht dann ist, lässt sich allein aufgrund der Tatsache einen native speaker als Lehrer zu haben, nicht beantworten. Aber die viel wichtigere Frage ist: Wie oft beherrscht ein Muttersprachler auch die Problematik des Erlernens einer Sprache, beziehungsweise: Wie viel Erfahrung hat er beim Erlernen der jeweiligen Zielsprache, indem Fall also seiner Eigenen?
So gibt es im Fremdsprachenunterricht immer wieder das Problem der Fragen nach dem “warum?”
An dieser Stelle kommt von Muttersprachlern häufig die, absolut berechtigte, Antwort: “Das ist etwas, das man aus dem Gefühl heraus macht.” Zu einem gewissen Teil stimmt das auch; Muttersprachler denken nur äußerst selten über das was sie sagen nach. An dieser Stelle sei erwähnt, dass hier von untrainierten Muttersprachlern die Rede ist. Gleichwohl kommen auch trainierte beziehungsweise ausgebildete Muttersprachler bei verschiedenen Themen ins Straucheln. Es soll keinesfalls behauptet werden, dass trainierte Nicht-Muttersprachler keine Probleme beim Vermitteln schwieriger Inhalte hätten, aber der entscheidende Vorteil, den ein non-native speaker hat, ist definitiv, dass er vor genau diesen Problemen schon einmal stand und sie, hoffentlich, überwunden hat. Das heißt für einen Nicht-Muttersprachler ist es oft sogar einfacher zu verstehen wo das Problem liegt, da er die Interferenzen der eigenen Muttersprache mit der zu Erlenenden kennt.
Nur allzu oft kommt die Diskussion des einsprachigen Fremdsprachenunterrichts auf, zudem muttersprachliche Lehrer offensichtlich einen natürlicheren Zugang haben. Dazu ein kleiner Denkanstoß:
Stellen sie sich vor sie sitzen allein in einer Gruppe Fremder in Russland in einer Sprachenschule und wollen die russische Sprache lernen. Nun kommt der Lehrer, der obendrein auch noch russischer Muttersprachler ist und sich daher auf allen sprachlich relevanten Ebenen (Phonetik, Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik) anders ausdrückt als sie es würden und versucht 2 Stunden lang sie auf russisch vom zu behandelnden Thema zu überzeugen. Die Reaktion dürfte klar sein.
Da diese Diskussion aber eines weiteren Artikels bedürfte nun zurück zum eigentlichen Thema. Da ein Nicht-Muttersprachler die Interferenzen der beiden Sprachen zumindest kennen sollte, kann dieser bei einem auftretenden Problem ganz anders reagieren und ganz andere Erklärungsversuche leisten als ein Muttersprachler. Stscherba schrieb dazu: „Man kann die Muttersprache der Lerner aus dem Klassenraum verjagen, aber nicht aus ihren Köpfen.“ Natürlich kann es auch ab und an von Vorteil sein, einen muttersprachlichen Lehrer zu haben. Dies gilt vor allem in den obersten Niveau-Stufen.
Als Zwischenfazit ist festzuhalten:
Ja Muttersprachler sind sprachlich kompetenter als NichtMuttersprachler. Und Nein Muttersprachler sind nicht prinzipiell die bessere Lösung wenn es um Fremdsprachenunterricht geht; vor allem dann nicht, wenn es um Business English geht. Überrascht? Denken sie mal darüber nach wie oft sie in der Geschäftswelt wirklich mit englischen Muttersprachlern zu tun haben und wie oft sie in Kontakt mit asiatischen, russischen oder süd-amerikanischen Geschäftspartnern treten.
Auch wissenschaftliche Quellen bestätigen, dass Nicht-Muttersprachler oftmals viel tiefere Einblicke in die relavanten grammatikalischen Felder haben. Was darauf zurück zu führen ist, dass eine Zweitsprache nunmal, wenn sie gelernt wird und nicht, wie im kindlichen Alter üblich, aufgenommen und schlichtweg gesprochen wird, anders gelernt wird als die Erstsprache. Ein ebenfalls nicht zu verachtender Aspekt für die Diskussion ist allerdings, dass die Sprachlehrforschung gezeigt hat, dass Muttersprachler dann geeignet sind, wenn sie sich in der Muttersprache der Lerner auch problemlos ausdrücken und verständigen können. Dazu gehört neben einem Studium der Sprache auch die Kenntnis der kulturellen Einflüsse. Nur so kann sich ein Sprecher in der anderen Sprache wohlfühlen und Probleme der Lerner erkennen, die z.B. von Interferenzen mit der Muttersprache der Lerner herrühren (Deutsche Lehrer und Lerner können ein Lied davon singen, wenn es um die Verwendung des englischen Present Perfect geht). Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass ein Nicht-Muttersprachler nur dann geeignet ist, wenn er sich in der Zielsprache fast genauso gut Verständigen kann, wie in seiner Muttersprache. Es kommt also vor allem auf Kompetenz und nicht auf den sprachlichen Hintergrund an.
Wenn Sie das nächste Mal überlegen, ob Sie eher einen Muttersprachler oder NichtMuttersprachler als Lehrer haben möchten, denken Sie nur darüber nach, was die jeweilige Person berechtigt zu Unterrichten. Allein die Kenntnis der Sprache reicht nunmal nicht aus, um eine Sprache sinnvoll und verständlich zu Lehren. Genauso wenig, wie die bloße Kenntnis über das Unterrichten einer Sprache.
Quelle: Langwhich, Autor: Michael Raible